Enaktive Traumatherapie

ressourcenorientiert, mitfühlend, ermächtigend

Enaktive Traumatherapie basiert auf der Theorie der strukturellen Dissoziation, und wurde für die Behandlung von chronischen traumabezogenen Dissoziationen der Persönlichkeit entwickelt.

Mädchen im weissen Kleid, tanzend auf Frühlingswiese
Foto: Pixabay

Enaktive Traumatherapie arbeitet mit folgenden Annahmen:

 

Alle Menschen 

  • sind in ihrer Umwelt verkörpert und eingebettet (embedded) (Ich existiere hier mit Körper und Geist, und alles um mich herum hat Einfluss auf mich)
  • sind zielorientierte menschliche Organismus-Umwelt-Systeme, die ihre Existenz erhalten (möchten leben) möchten.
  • sind fühlende Systeme, mit dem Ziel, die Dinge zu verstehen und einen Sinn in den Dingen zu finden und auch selbst sinnvolle Dinge zu tun (Was ist gut/nährend/förderlich für mich und was ist mir nicht nützlich/schadet mir/tut mir nicht gut)
  • haben das Bedürfnis ein Teil dieser Welt zu sein (Verbindung und Zugehörigkeit)

 

Enaktivismus bedeutet, dass Bedeutung ("Ich, die Welt und Ich als ein Teil dieser Welt")  erst durch ein aktives Tun erschaffen wird. Dieses Tun wird durch den Körper erfahren, durch den Geist bewußt als aktiver Teil dieser Welt erfahren.

Das bedeutet, dass wir nicht aufgrund unseres Wissens um bestimmte Dinge unser Leben (er-)leben. Vielmehr bedeutet es, dass wir unser Tun/Handlungen aufgrund unserer körperlichen und emotionalen und Sinnes-Erfahrungen in dieser Welt um uns herum gestalten: "angenehm/zuträglich" wird gesucht (mehr davon), "unangenehm/schädlich/nicht zuträglich" wird gemieden (weniger davon).

 

Dadurch wird deutlich, dass Trauma einen unlösbaren Konflikt im Menschen auslösen kann. Besonders wenn es sich um ein "relationales" Trauma handelt, also ein Trauma, das in der Beziehung zu einem anderen Menschen steht:

"Wie kann ein Mensch gleichzeitig "gut" sein und mir trotzdem auch diese schrecklichen Dinge antun?"

Diese beiden Gegensätze scheinen unvereinbar miteinander zu sein und ein "sinnvolles" einordnen unmöglich.

 

Wie kann solch ein Konflikt vom System aufgelöst werden?

Nach dem oben Beschriebenen kann in diesem Fall eine gezielte Abspaltung von Teilen der Persönlichkeit von bestimmten Erfahrungen (strukturelle Dissozitiation) sinnvoll sein. Z. B. ist es unter der strukturellen Dissoziation möglich, dass es einen Teil gibt, der die Erfahrung trägt, "diese bestimmte Person ist gut", während ein anderer Teil die Erfahrung "diese Person ist schlecht/böse" trägt. Der unlösbare Konflikt wird auf diese Weise nicht vom gesamten System erlebt.

 

Das bedeutet, der Persönlichkeitsanteil, der den Alltag bewältigt, "weiß" nicht um das Schlimme und kann sehr überzeugend so tun, als wäre "nichts". Dieser Teil hat tatsächlich keinen Zugang zu der untragbaren Erfahrung.

So kann das System ("Ich", "Welt", "Ich in der Welt") weiterhin funktionieren und kann so den Erhalt seiner Existenz sicherstellen.

Jedoch können aus diesen, zunächst nützlichen und sinnvollen Anpassungen im Laufe der Zeit andere Konflikte entstehen.

 

Die einen Teile bewältigen den Alltag und versuchen traumatische Erinnerungen und emotionale Teile der Persönlichkeit zu meiden.

Die  anderen Teile, die traumatische Erinnerungen tragen versuchen ihre Existenz zu sichern, indem sie alle möglichen Abwehrmechanismen wie Flucht, Einfrieren oder das Ausüben von Macht entwickeln, um dem unerträglichen Gefühl von Hilflosigkeit und Ohnmacht zu entkommen. Dieses unbedingte Streben nach Vermeidung dieses Unerträglichen kann Teile sogar dazu führen, teilweise den Täter zu imitieren.

 

Enaktive Traumatherapie ist ein phasenorientiertes Verfahren, das auch körperorientierte Interventionen mit einbezieht. Phasenorientiert bedeutet, dass wir in bestimmter Reihenfolge vorangehen. Aber wann immer es sinnvoll und notwendig erscheint, kehren wir zur Phase der Stabilisierung zurück. Es ist ähnlich einem Tanz, bei dem die Tänzer (Betroffene und Therapeutin) ihren eigenen gemeinsamen Rhythmus finden müssen.

 

Die enaktive Begleitung ist also ein ressourcenorientiertes, mitfühlendes gemeinsames Tun zwischen Klientin und Therapeutin, um neue, zugewandte und verständnisvolle Erfahrungen zu machen. Dabei spielen die individuellen Ressourcen der Klientin eine wichtige Rolle. Diese Ressourcen/Kraftquellen sollen die Klientin dabei unterstützen, die eigene Kraft und das Gefühl der  Selbstwirksamkeit ("Ich kann Etwas bewirken/tun/verändern") stärken. Dieses Bewusstsein über die eigene Selbstwirksamkeit soll in der Therapie als positive Unterstützung dienen.

So kann die Klientin, gestärkt durch ihre Ressourcen, ihr Gefühl von Selbstwirksamkeit dazu nutzen, um eine aktive Rolle auf Ihrem Heilungsweg einzunehmen und neue, bestärkende Erfahrungen zu machen.

Enaktive Traumatherapie ist also nicht "nur reden", sondern vielmehr, reden, erkennen, verstehen (mental), die Selbstwirksamkeit erleben (Geist) und vor Allem das Tun/Handeln/Ausprobieren (aktives Tun in der Umwelt/soziale Interaktion). Die Klientin lernt mit Körper und Geist wieder aktiv und präsent in der Welt zu sein und zu handeln, im Bewusstsein, mit diesem Handeln auch etwas bewusst gewolltes bewirken zu können.